Bildungsplattform Leistung & Vielfalt:
Forderungen zum Thema „Nahtstellen mit 10 und 14“ (I.Zins)
- Recht aller Schüler auf personengerechte, begabungsadäquate Bildung (d. h. nicht: Recht auf gleiche Bildung) und gemeinsam mit ihren Eltern: Entscheidungsfreiheit über die Wahl des Bildungsweges
- für ein vielfältiges Angebot zum frühestmöglichen Zeitpunkt und spezielle Förderung benachteiligter Kinder zur Vorbereitung auf deren Integration in den normalen Unterricht. Nur dadurch können unterschiedliche Ausgangspositionen ausgeglichen werden.
- „Inklusive“ Begabungsförderung im Sinne einer optimalen personengerechten Förderung auf allen Ebenen (nicht: gleiche Förderung für alle).
- Kein Kind darf auf der Strecke bleiben – kein Bildungsweg darf eine Sackgasse sein!
- Durchlässigkeit muss wieder in allen Bundesländern gegeben sein: Möglichkeit des Wechsels innerhalb der Sek. I (HS/NMS – Gymnasium, Gymnasium – HS/NMS) bzw. anschließend von der HS/NMS ins ORG bzw. in die BHS (mehr als die Hälfte der österreichischen Maturanten haben bisher diesen Weg eingeschlagen!)
- Größeres Augenmerk auf begabungsgerechte Schulwahl, die zu gesteigerter Zufriedenheit der Eltern, Lehrer und Schüler führen wird. Kinder wollen angespornt und gefordert werden (statt unter- oder überfordert und frustriert). Auch die Nachhilfekosten sollten auf diese Weise wesentlich gesenkt werden können.
- Aussagekräftige Zeugnisse statt Gefälligkeitsgutachten. Wünschenswert darüber hinaus: zusätzliche Entscheidungshilfen für Schüler und Eltern an den Nahtstellen mit 10 und 14: Zeugnisse + externe Potenzial-Analysen bzw. extern unterstützte Schullaufbahnberatung:
- z. B. durch Gutachten eines Teams aus VS-, HS- bzw. NMS- und AHS-Lehrers über momentanen Leistungsstand, Lernmotivation, Stärken- und Schwächenprofil, Interessen- und Neigungsprofil) münden in eine Empfehlung an die Eltern, und zwar im Rahmen eines Beratungsgesprächs. Das würde den großen Druck von den VS-Lehrern nehmen, die im Moment allein Empfehlungen abgeben.
- weitere Möglichkeit: Leistungsüberprüfungen nach dem ersten Semester der 4. und 8. sowie am Ende der 12. Schulstufe, nicht nur selektiv in den so genannten „Hauptfächern“ – am besten durch bis dahin mit dem Unterricht betraute Lehrer; bestehend aus 2 Teilen: einer allgemein definierten Mindestanforderung und einem schulspezifischen Teil, dessen Umfang vom jeweils gewählten Typus, Fächerkanon und Leistungsziel abhängt
- Vorverlegung der um teures Geld entwickelten Bildungsstandards-Testungen, die ebenfalls ein Mittel zur Entscheidungsfindung sein sollten. (im Gegensatz zum derzeitigen Stand: Da sollen die Bildungsstandards nur dem “Bildungsmonitoring” dienen. Sie nützen weder den SchülerInnen der getesteten Klasse, da sie zum Zeitpunkt der Ergebnismitteilung schon an einer anderen Schule sind, NOCH den Lehrern, die auf die Ergebisse nicht zeitgerecht durch spezielle Förderung reagieren können, noch den Eltern für die Schulwahl, da die Ergebnisse zum Zeitpunkt der Anmeldung noch nicht vorliegen.)
- Recht der Schulen, den Zugang durch schulartenspezifische Aufnahmeverfahren (wie z.B. Potentialanalysen, Aufnahmegespräche, u.ä.) zu regeln (wie dies bei bestimmten Schwerpunktformen auch jetzt schon der Fall ist).
- keine Nivellierung nach unten durch Manipulationen unter dem Vorwand der Herstellung angeblicher „sozialer Gerechtigkeit“. Möglichst kleine und möglichst homogene Lerngruppen führen zu größerem Lernerfolg.
- Optimale Förderung begabter und leistungswilliger Schüler durch Erhalt des Gymnasiums.
- Aufwertung der Hauptschulen zu neuen Mittelschulen ist ein probates Mittel, darf allerdings nicht zum Aushungern oder gar zur Abschaffung der Gymnasien führen.
- Abschied von der Illusion der durch die Gesamtschule herstellbaren „sozialen Gerechtigkeit“: Die Startnachteile mancher Kinder durch kulturelle und Erziehungs-Faktoren sind jedenfalls viel zu groß, als dass man deren Behebung allein den Lehrern aufbürden dürfte – und schon gar nicht den anderen Kindern, die von ihren Eltern oft unter großem Einsatz und Opfern viel besser auf die Schule vorbereitet worden sind. Dazu bedarf es (s. o.) einer frühen Förderung schon vor Schuleintritt, besonders im Bereich der deutschen Sprache und des Sozialverhaltens.
- Die schwierige Gruppe der Schüler, die die Hauptschule ohne Abschluss verlassen oder zwar mit Abschluss, aber trotzdem ohne ausreichende Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse, muss speziell betreut und gefördert werden, z. B. durch eigene Förderprogramme, die viel zielführender sind als eine Änderung der Schulstrukturen. Schulische Angebote sind eine Bringschuld des Staates, ihre Nutzung allerdings auch eine Holschuld von Schüler (und ihren zur Erziehung verpflichteten Eltern).
- Schlüssel zur optimalen Förderung aus Sicht der Bildungsplattform:
- zugewandte, anwesende Bezugspersonen, die Freude am Lernen wecken
- zuverlässige Beziehungen zu Kindern und Resonanz (=laut Neurowissenschaft die Voraussetzung für Aufbau von Motivationssystemen)
- Entscheidungshilfe für Schüler und Eltern bei der Schulwahl
- wertschätzendes Schulklima
- Kooperation aller an Erziehung und Bildung Beteiligten
- beste Eignung („Beziehungsfähigkeit“ und fachl. Eignung) und beste Ausbildung aller Beteiligten
- weit gesteckter Bildungsbegriff statt reines Nützlichkeitsdenken und „teaching to the test“
- ehrliche Rückmeldungen für Schüler
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Anhang:
Diverse Aussagen von Prof. Hopmann (leider ohne Quellenangabe, daher nur dem Sinn nach und nicht wörtlich zu zitieren):
„Der empirisch gehaltlose Gesamtschulstreit geht an den Faktoren, die tatsächlich über die soziale Ungleichverteilung von Bildungskarrieren entscheiden, völlig vorbei.“
„Schulischer Erfolg ist das dynamische Zusammenspiel inner- und außerschulischer Lernressourcen, wobei der Forschungslage nach die außerschulischen Voraussetzungen (gemessen im mitgebrachten Sozial- und Bildungskapital oder der Zugänglichkeit anderer außerschulischer Lernarrangements) wirkungsmächtiger sind als die innerschulischen.“
„Im österreichischen Schulsystem muss die erste Schullaufbahnentscheidung – also die Wahl zwischen Hauptschule und Gymnasium – zwar durchaus sehr früh getroffen werden, sie muss aber faktisch nicht als fixe Vorentscheidung für den weiteren Verlauf von unterschiedlichen Bildungswegen stehen.“
„Dass frühe und anhaltende Leistungsdifferenzierung für leistungsstarke SchülerInnen einen Vorteil bedeuten kann, ist in der Forschung weitgehend unstrittig.“
„Viele Studien an späteren Schnittstellen im Schulsystem bis hin zur Matura haben gezeigt, dass gymnasiale Schulverläufe in aller Regel auch bei gleichen Eingangsvoraussetzungen zu im Durchschnitt höheren Schulleistungen führen.“
Weitere Experten geben ehrlich zu, dass es kein „richtiges“ Schulsystem gibt – wie auch in keiner OECD-Studie ein Nachweis dafür erbracht werden konnte: ZITAT:
„Neurologisch betrachtet entscheidet sich das Bildungsschicksal eines Kindes an der konkreten Förderung, die es – vor allem in den Jahren VOR Schuleintritt – aus seinem privaten, außerschulischen Umfeld erhalten hat UND die es während der Schulzeit von seinen Eltern und einzelnen Lehrkräften erhält.“ (Joachim Bauer, Lob der Schule, S. 116)
„Um milieubedingte Defizite auszugleichen, hilft es nicht, wenn wir alle Hoffnungen auf den Tag der Erlösung durch ein einheitliches Schulsystem richten.“ ( Vielmehr brauchen diese Schüler (er spricht von den Hauptschülern in D) (…) Unterr. in besonders kleinen Klassen, besondere Unterrichtsangebote, v. a. im Bereich Sprache, einen Schwerpunkt auf sozialem und emotionalem Lernen, intensive Schulsozialarbeit und spezielle Hilfestellungen beim Übergang in weiterführende Schulen oder ins Berufsleben.“ )
Sidestep: Wie Bildung nur gelingen kann:
Keine Bildungsoffensive ohne Erziehungsoffensive!!!
= Tenor in drei aktuellen Büchern dt. Erziehungs- bzw. Bildungsexperten (Bauer, Winterhoff, Kraus):
Joachim Bauer: habilitierter Mediziner und Psychiater, ausgezeichnet für seine neurobiologischen Forschungsarbeiten; in seinen Büchern zeigt er u. a. Perspektiven für Schüler, Lehrer und Eltern auf („Lob der Schule“, 2007)
Zitat Bauer: „Zugewandte, anwesende Bezugspersonen sind durch nichts zu ersetzen. …. Heranwachsende stundenlang dem Fernsehen oder Bildschirmspielen zu überlassen, ist ein Begabungszerstörungsprogramm erster Klasse!“ (S. 99) Folge: … Verkümmerung der Kinder nicht nur intellektuell, sondern auch hinsichtlich ihrer Kreativität und Emotionalität!“- Wie soll die Schule allein hier gegensteuern? UNMÖGLICH
Zitat Joachim Bauer (Lob der Schule, S. 120): „Mess- und Kontrollsysteme, die wir von außen auf Industriebetriebe, Dienstleistungseinrichtungen, Krankenhäuser und Schulen loslassen, haben die Tendenz, zu parasitären Apparaten zu werden, zu Biotopen, in denen sich viele Zaungäste ernähren, ohne letztlich die Einrichtungen zu stärken, die sie evaluieren und kontrollieren sollen.“
Michael Winterhoff: dt. Kinder- und Jugendpsychiater, Psychotherapeut und Sozialpsychiater, der unsere Familiensysteme analysiert hat und die beängstigenden Folgen mangelnder psychischer Entwicklung der Kinder aufzeigt; Winterhoff präzisiert in seinen Bestsellern den allgemeinen Eindruck, dass Eltern keine Kontrolle mehr über ihre Kinder haben, weil sie sich zu sehr mit ihren Kindern identifizieren und dadurch deren Reifung behindern: „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“, „Tyrannen müssen nicht sein“,… Er plädiert dafür, „Kinder wieder als Kinder (zu) sehen“– Zitate aus einem interessanten Presse-Interview ( vgl. Artikel von KLAUS HÖFLER in: „Die Presse“, 15.05.2011)
Gefährliche Fehlentwicklungen bei Kindern und Jugendlichen:
„Laut einer aktuellen Studie ist ein ganz großer Prozentsatz der auf den Arbeitsmarkt strömenden jungen Erwachsenen nicht arbeitsfähig. Diese Fehlentwicklung habe ich schon vor 15 Jahren prognostiziert. Und ich glaube, dass diese Zahl noch enorm steigt. Die Kinder von heute weisen gravierendere Entwicklungsrückstände auf. Sie sind nicht lebenstüchtig und beziehungsfähig, haben aber ein hohes Anspruchs- und Versorgungsdenken.
Was läuft da in der Erziehung falsch?
„Das Tragische ist, dass es um Eltern geht, die ihre Kinder erziehen, aber sich dabei unterbewusst auf einer Ebene befinden, auf der eine Entwicklung der Psyche beim Kind nicht entstehen kann.“ (…) „Da ist die Gefahr groß, dass ich mir das, was mir fehlt, über das Kind hole: Sein Glück ist auch mein Glück. Daraus entsteht eine Verschmelzung der Psychen. Eltern fühlen für ihr Kind, denken für ihr Kind, gehen für ihr Kind in die Schule.“
Lehrkräfte in schwieriger Position:
„Die Position des Lehrers wird immer schwieriger. Er hat immer mehr Kinder, die er gar nicht herkömmlich unterrichten kann. Er hat Eltern, die möglicherweise sehr negativ einmischend, aber nicht problembewusst sind. (…) Und er ist permanent mit Reformideen konfrontiert, die bei diesen Kindern gar nicht umsetzbar sind.“
Wie gegensteuern ?
„Mein Wunsch wäre die Einführung einer allgemeinen Vorschule mit einer Gruppengröße von acht bis zwölf Kindern. Dort sollte es aber in keinem Fall um das Erlernen von Kulturtechniken gehen, sondern darum, dass die Kinder lernen, Strukturen zu erkennen und das Gegenüber wahrzunehmen.“
Wäre eine Gesamtschule wünschenswert?
„Diese ganzen Struktur- und Lerndebatten werden gar nichts bringen. Wir müssen weg davon und hin zum Erkennen, dass wir neue Störungsbilder haben, die es vor zehn Jahren noch nicht gab. Im Grundschulbereich haben wir heute 60 bis 70 Prozent Kinder, die nicht dem Reifegrad der Grundschule entsprechen, sondern dem von zehn bis 16 Monaten. Sie leben nur lustorientiert, das heißt, im Freizeitbereich sind sie durchaus leistungsbereit, aber in einer Schule nicht. Die Respektlosigkeit, der man begegnet, gründet daher vielfach nicht in fehlender Erziehung, sondern in fehlender Entwicklung. Und so lange das kleinkindliche Weltbild „Ich kann alles steuern und bestimmen“ vorherrscht und das Gegenüber nicht als solches erkannt wird, fehlt die Basis, um überhaupt Kulturtechniken lernen zu können. Das müssten wir bereit sein zu sehen. Das Problem ist aber, dass wir diese Kinder im Kindergarten und in den Schulstufen durchreichen. Sie scheitern dann spätestens im Beruf. Sie sind mit dem Reifegrad eines Kleinkindes nicht in der Lage, arbeiten zu gehen.“
Josef Kraus: hoch angesehener dt. Bildungsexperte : Schulpsychologe, Gymnasiallehrer und -direktor, Vorsitzender des dt. Lehrerverbandes, Träger des Bundesverdienstkreuzes: „Ist die Bildung noch zu retten“ 2009
Probleme entstehen , (Zitat Josef Kraus): „wenn die Schule als allmächtige pädagogische Feuerwehr und gesellschaftliche Reparaturanstalt“ betrachtet wird“.
Eine Unzahl an Zitaten ist jederzeit lieferbar!
FAZIT aus meiner Sicht::
- Elternhaus + Schule müssen an einem Strang ziehen, Förderung auch des Durchhaltevermögens von Kindern
- Bereitschaft und Mut zum Erziehen! Mut zur Autorität und zum Vorbild! Verständnis + Führung sind wichtig! Interesse – auch dafür, was in der Schule geschieht; Beachtung und Zuwendung! Zeit für Rituale (gem. Mahlzeiten, Ausflüge,…), VÄTER!, Eltern: selbst handeln und nicht alles an die Schule delegieren, Immunisierung der Kinder gegen Gruppendruck und Einfluss der Medien statt Resignation!
- reichhaltiges Angebot in der Schule (v. a. auch Sport, Musik, soziale Projekte,… neben Lernbetr.) + Kooperation mit ExpertInnen (interdiszipl. Team: Freizeit- und Sozialpäd., PsychologInnen, KünstlerInnen, auch mit Gewalt – und Suchtpräventionsstellen,…)
- d. h. personelle Aufstockung in den Schulen
- + v. a. erhebliche bauliche Maßnahmen als Grundvoraussetzung für die Sinnhaftigkeit eines ganztägigen Angebots: gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise hätte dies vielfachen Nutzen!
- integrierte Qualitätssicherung an den Schulen selbst incl. Beratung von außen statt NUR „von oben herab“